Kategorien
3. Sonntag im Jahreskreis
26. Jänner 2025
Es ist ein kleines Wort, das mich beim Nachdenken über das Evangelium dieses Sonntags innehalten ließ: „gesalbt“. Jesus, so berichtet der Evangelist Lukas, kehrt nach seiner Taufe nach Galiläa zurück, voller „power“, voll Kraft, ganz erfüllt mit dem Heiligen Geist. Die Kraft Gottes war spürbar. Und dann geht er zum Gottesdienst in Nazaret und predigt dort. Er deutet einen Text des Propheten Jesaja und bezieht die Aussagen des Propheten auf sich selbst: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“ (Lk 4,21)
Welches Schriftwort? „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt.“ (Lk 4,18) Da haben wir also dieses Wort. Gesalbt. Denn er hat mich gesalbt. Der Geist Gottes hat Jesus gesalbt. Was ist damit gemeint? Was bedeutet das? Eine körperliche Salbung kann es ja nicht gewesen sein. Es muss mit dem Inneren, mit der Seele von Jesus, mit seiner Sendung zu tun haben.
Jesus trägt einen Ehrentitel. Einen für uns ganz gewohnten und alltäglichen Titel: Christus. Das ist nicht sein Familienname, sondern seine Funktion, seine Bedeutung. Denn „Christus“ heißt übersetzt „der Gesalbte“. Jesus ist der von Gott Gesalbte, der Auserwählte, der erwartete Messias, der Herr. Wenn also gesagt wird, dass Jesus gesalbt ist, dann bedeutet das: Jesus ist der Messias.
Und damit sind wir in unserer heutigen Zeit. Top aktuell. Denn immer zahlreicher werden die Herrscher, die Präsidenten, die Machthaber, die sich wie ein Messias gebaren, wie ein Retter und Erlöser. Die auftreten, als würde mit ihnen das Heil der Welt beginnen. Das goldene Zeitalter. Und dazu kommt die Hoffnung unzähliger Menschen, die diesen Messias-Typen folgen, die ihnen „huldigen“, die von ihnen tatsächlich das Heil der Welt, zumindest ihrer kleinen Welt, erwarten.
Also: Wir leben in einer Zeit der „Gesalbten“. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass die Welt auf einmal aufwacht und sagen muss: Der Messias, dem wir gefolgt sind, hat uns ins Unheil gestürzt. Er hat unsere Hoffnungen enttäuscht und kaputt gemacht. Letztlich hat dieser von uns verehrte Messias nur sein eigenes Leben gerettet. Es ist ihm um seine Macht, um seine Anerkennung, um sein Ego gegangen. Und wir sind ihm auf den Leim gegangen.
Mich bewegt in diesen Tagen sehr die Ansprache der anglikanischen Bischöfin Mariann Edgar Budde beim Inaugurationsgottesdienst in der National Cathedral in Washington. „Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie,“ sagte sie zum frisch vereidigten und vor ihr sitzenden Präsidenten, „haben Sie Erbarmen mit den Menschen in unserem Land, die jetzt Angst haben. Die Menschen, die unsere Ernte einbringen und unsere Bürogebäude reinigen, … die in Restaurants das Geschirr nach dem Essen abwaschen und in Krankenhäusern Nachtschichten übernehmen, sind vielleicht keine Staatsbürger oder haben keine Papiere. Aber die große Mehrheit der Einwanderer ist nicht kriminell. Sie zahlen Steuer und sind gute Nachbarn. … Helfen Sie denjenigen in unseren Gemeinden, deren Kinder befürchten, dass ihnen ihre Eltern weggenommen werden. Gott lehrt die Menschen, gegenüber Fremden barmherzig zu sein.“
Und die Reaktion des Präsidenten? Der Gottesdienst sei nicht sehr aufregend gewesen. Die Bischöfin eine radikale Linke und Trump-Hasserin. Sie sei nicht sehr gut in ihrem Job. Sie und ihre Kirche würden der Öffentlichkeit eine Entschuldigung schulden. Und der republikanische Abgebordnete Mike Collins hat geschrieben: „Die Person, die diese Predigt hält, sollte auf die Deportationsliste gesetzt werden.“
Die Sprache verrät die Haltung des Sprechenden. Und das nicht nur über dem großen Teich, sondern auch bei uns. Und es ist unsere, manchmal harte und herausfordernde, Pflicht, wachsam zu sein, die Absolutheitsansprüche und die damit verbundenen Abwertungen zu durchschauen und dagegen Stellung zu beziehen. Denn wir sind Christinnen und Christen, also wie Jesus Christus „Gesalbte“. „Auf unsere Salbung dürfen wir stolz sein. Sie lässt uns aufrecht gehen als Töchter und Söhne Gottes, als Geschwister Christi. Wer aus Überzeugung als Christ lebt, soll wissen: Ich bin gesalbt, nicht angeschmiert.“[1] Wir sind gesalbt und müssen achtsam sein, damit wir nicht letztendlich die Angeschmierten sind.
Jesus, der Gesalbte. Wir, die Gesalbten. Diese Salbung zeigt sich darin, wie wir mit den Menschen umgehen. So fasst es Jesus zusammen. Die Menschlichkeit ist unser einziger Maßstab. Noch einmal die anglikanische Bischöfin Budde: „Es ist ein Grund für große Sorge. Wie die Lehren des Christentums ignoriert werden von denen, die öffentlich behaupten, als Christen zu sprechen. Ich denke, es ist ein Missbrauch des Glaubens.“
Und jetzt noch ein Blick in unser konkretes Leben. Drei kleine Gedanken, wie sich die Salbung zeigen kann: 1 Ich weiß um meine Würde von Gott her und brauche sie nicht durch Leistung, Konkurrenz oder Kleinmachen anderer erzeugen. 2 Ich begegne jedem Menschen mit Achtung, Wertschätzung, einem Vorschuss an Wohlwollen und Vertrauen. 3 Ich setze den Messias, den Gesalbten Jesus, in die Mitte und bewerte alles von ihm her – und werde dadurch ein sehr freier Mensch.
Oder kurz gesagt: 1 Nicht Großwerden durch Kleinmachen. 2 Das Wohlwollen immer zuerst. 3 Was nicht frei macht, ist nicht christlich. Sich nicht anschmieren lassen.
Jakob Bürgler
[1] Franz Kamphaus, Den Armen die frohe Botschaft bringen. Patmos 2024, 124.
Kategorie:
Datum: 26.01.2025
Die Unipfarre Innsbruck ist ein Ort, in dem Begegnung mit Gott, mit Jesus Christus, mit den Mitmenschen und mit sich selbst möglich ist.
In der Unipfarre engagieren sich Studierende. Alle Angebote werden durch Student:innen mitgetragen. "Vielfalt" ist Progamm.
Wir begeben uns mit dir auf die Suche nach dem, was Leben gelingen lässt, Freude bereitet und dich stärkt.
Universitätspfarre Innsbruck
Josef-Hirn-Straße 7 / 5. Stock
A-6020 Innsbruck in Tirol
Österreich
Mit DIR machen wir uns auf die Suche nach dem, was Leben gelingen lässt, was Freude bereitet und DICH stärkt.
Universitätspfarre Innsbruck
ImpressumKontaktDatenschutz