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30. Sonntag im Jahreskreis
27. Oktober 2024
Dom zu St. Jakob
50 Jahre Alpenländischer Volksmusikwettbewerb
Die Erzählung vom blinden Bettler ist den meisten von uns wohl sehr vertraut. Bartimäus sitzt an der Straße. Er bettelt wie jeden Tag, schreit um Hilfe. Jesus kommt vorbei. Er schenkt ihm das Augenlicht. „Dein Glaube hat dich gerettet“, sagt Jesus. Und Bartimäus folgt Jesus auf seinem Weg.
Das, was in Jericho da passiert, kann man sich gut vorstellen. Aber man könnte auch sagen: Ok, schön. Aber ein bisschen befremdlich ist das schon. So einfach nebenbei auf dem Weg eine Heilung. Und lange her ist es auch. Eine 2000 Jahre alte Geschichte. Mit mir und meinem Leben hat das nichts zu tun.
Ich gehe jetzt eine Wette ein. Wetten, dass doch! Wetten, dass Bartimäus auch heute noch aktuell ist! Dazu zwei kleine Gedanken.
Ein erster.
Jesus verlässt mit seinem Gefolge die Stadt Jericho. Es ist viel los. Die Stadt ist voller Menschen. Gerangel, Lärm, Geschäftigkeit, Wirbel überall. Nichts wie raus aus der Stadt. Die Gruppe um Jesus: Intensiv ins Gespräch vertieft.
Da bleibt Jesus stehen. Auf einmal. Und alle anderen mit ihm. Es wird still. Da schreit ein Mann. Die anderen sagen: Sei endlich still! Diesen Bettler kennen wir. Der sitzt immer dort. Also: Nichts Neues! Jesus hört und horcht. Er horcht auf.
Alle Jahre gibt es Ende Oktober in Innsbruck eine schöne Tradition. Der Name der Tradition: „Aufg’horcht“. Innsbruck horcht auf. Viele unterschiedliche volksmusikalische Gruppen machen die Innenstadt von Innsbruck zu einem Raum, in dem an allen Ecken und Enden wunderbare Musik erklingt.
Aufhorchen. Wer aufhorchen will, muss zuerst einmal aufhören. Aufhören mit dem gestressten Durch-die-Gegend-Laufen. Aufhören mit der Meinung, eh alles schon zu kennen und zu wissen. Aufhören mit der Meinung, dass das Leben gelingt, wenn ich nur möglichst viel aus ihm heraushole.
Wie erkennt man einen Christen, eine Christin? Vielleicht auch daran, dass sie bereit sind, aufzuhorchen, dem anderen zuzuhören, die Not und die Last des Lebens von Menschen mitzutragen, feinfühlig zu sein, nicht nur dem eigenen Takt zu folgen. Und das ist sehr aktuell. Die Tendenz, die sozialen Spannungen in der Gesellschaft aus parteipolitischen Gründen zu nützen und sie gegen bestimmte Gruppen von Menschen zu gebrauchen, ist erschreckend und nicht christlich. Lernen wir Jesus – und von der Volksmusik: „Aufhorchen“.
Der zweite Gedanke.
Jesus horcht auf. Und dann? Dann sagt er zum blinden Bartimäus einen wunderbaren Satz: „Was willst du, dass ich dir tue?“ (Mk 10,51) Was willst du? Das könnte man jetzt falsch verstehen. So nach dem Motto: Sag mir alle deine Wünsche, sag mir dein Wunschkonzert. Ich mache das alles möglich. So wie man manchmal bei Musikgruppen Wunschtitel bestellen kann, um die eigenen musikalischen Lieblingstitel zu hören.
Bei der Frage Jesu an Bartimäus geht es nicht um ein Wunschkonzert. Es geht um das, was ganz in der Tiefe seines Herzens liegt. Es geht um den tiefsten aller seiner Wünsche. Was ersehnst du, Bartimäus, mit ganzem Herzen? Was kann ich dir geben?
Tiefe Wünsche haben wir alle. Wesentliche Wünsche: Den Wunsch nach Glück, nach Zufriedenheit, die Bitte um Frieden – momentan ganz stark. Den Wunsch, im Leben einen Sinn zu finden. Aber: An wen richten wir diesen Wunsch? An den Partner, an die Ehefrau, an die eigenen Kinder, an die Politik, an die Versicherung, an die Vereine, an die Gesellschaft, an das Leben. Bartimäus richtet den tiefsten seiner Wünsche an Jesus, an Gott.
Was, wenn Jesus uns fragen würde, dich und mich: Was willst du, dass ich dir tue? Hätten wir dann eine Antwort an ihn? Oder „optimieren wir uns doch lieber selbst – nach dem Motto: Jeder ist seines Glückes Schmied? Schneller, fitter, kreativer, effizienter, attraktiver, klüger… Es gilt, das Optimum aus sich selbst herauszuholen, durch Arbeit an den eigenen Kompetenzen, am Lebensstil und an der eigenen Persönlichkeit. Als hilfreiche Instrumente werden dafür digitale Selbstvermessung, Meditation und Yoga, Achtsamkeitsübungen und Selbststeuerung genannt…“[1] Die Grundbotschaft von all dem: Es fehlt nichts, wenn Gott fehlt. Wir erfüllen uns die Wünsche selbst. Das, was Bartimäus zu Jesus hinführt, hat heute nicht mehr die Kraft, zu Jesus hinzuführen. Es geht scheinbar auch ohne Gott.
„Was willst du, dass ich dir tue?“ Mir persönlich ist diese Frage wichtig. Ich vertraue darauf, dass ich durch meinen Glauben etwas gewinne, dass ich durch ihn einen Mehrwert habe, ein Plus im Leben. Und es ist schön, dass heute so viele mitfeiern, hier im Dom zu St. Jakob und daheim am Radio und im Fernsehen, so viele, die diese Erfahrung teilen. Und die mit Ursula Nothelle-Wildfeuer sagen: „Und diese Hoffnung ist doch mehr als nur der Glaube an uns selbst.“[2]
Jakob Bürgler
[1] Ursula Nothelle-Wildfeuer, Wenn Jesus uns fragt… Christ in der Gegenwart 44, 27.10.2024
[2] Ebd.
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Datum: 27.10.2024
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