Macht in Dienst wandeln

Die Analyse Jesu ist eindeutig: Macht wird missbraucht. "Bei euch soll es nicht so sein." Ein anderer und neuer Stil von Leitung und Verantwortung ist gefragt. Gedanken dazu von Unipfarrer Jakob Bürgler findest du hier.

29. Sonntag im Jahreskreis

20. Oktober 2024

Dreiheiligen, Dom zu St. Jakob und Johanneskirche

 

Ich erinnere mich an ein Gespräch vor wenigen Tagen. Mein Gesprächspartner war einer, der im öffentlichen und politischen Leben nicht unbekannt ist, einer, der um die geheimen Machtstrukturen weiß, einer, der in das Geflecht von Meinungsbildung und Entscheidungsmacht Einblick hat. Und dem, was er da so erlebt, hat er ein gutes Zeugnis ausgestellt. Da wird hintergangen, gelogen, intrigiert. Da wird der eigene Vorteil gesucht, ums Überleben gekämpft, die Schwäche des anderen schamlos ausgenützt, die Macht missbraucht und für die eigenen Zwecke eingesetzt. Ob das so ist, weiß ich nicht. Er hat von seinen Eindrücken und Wahrnehmungen erzählt.

Mir ist dieses Gespräch eingefallen bei der Vorbereitung auf die heutige Predigt. Die Analyse Jesu ist ja nicht weniger eindeutig: „Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen.“ (Mk 10,42) Manchmal hört man: Wenn jemand da nicht mitspielt, hat er schon verloren. Schade um alle, die gewissenhaft und ehrlich sind und das Gemeinwohl in den Vordergrund stellen. Die werden alle „abgeschossen“.

Ich würde dem so nicht zustimmen. Ich kenne äußerst gute und edle Menschen in der Politik, auch in der Gruppe jener Personen, die in Wirtschaft und Verwaltung große Verantwortung tragen. Tolle Leute, die mit einem starken Gewissen und mit der klaren inneren Entscheidung, dem Gemeinwohl zu dienen, ihren Dienst tun.

Aber es ist so: Wer Macht hat, lebt gefährlich. Wer oben ist, lebt gefährlich. Es gibt Neider und Widersacher, ungute Kräfte und destruktive Strategien. Manchmal denke ich mir: Die Sprache ist verräterisch. Wer besonders niederträchtig redet, wer andere in den Dreck zieht, wer andere klein und schlecht macht, der hat wenig Einblick in die eigene Unzulänglichkeit und Unart. Der zeigt mit dem Finger nur auf die anderen. Und dazu kommt: Durch Feindbilder und Abwertungen wird höchstens etwas zerstört, aber noch nichts Positives aufgebaut.

Also: Jemand, der Macht hat, der oben ist, lebt gefährlich. Und das auch in einem anderen, innerlichen Sinn: Er lebt deshalb gefährlich, weil er vielleicht irgendwann nicht mehr durchschaut, dass sein Handeln unlauter wird, dass er die Macht für sich und seinen Einfluss einsetzt, dass er unehrliche Ziele hat und diese mit seiner Macht untermauert. Es gibt neben der äußeren Gefahr auch diese innere Gefährdung. Und da gilt es – so sagt Jesus – äußerst vorsichtig zu sein. Auch in der Kirche. Auch bei jenen, die im Glauben Einfluss haben und Macht.

Zum Auftakt der zweiten Phase der Bischofssynode in Rom, die gerade stattfindet,  hat Papst Franziskus eine Bußfeier durchführen lassen. Dabei haben unterschiedliche Leute die unseligen Versäumnisse und Fehler der Kirche beim Namen genannt. Kardinal Schönborn hat folgende Worte verlesen: „Ich bitte um Vergebung und schäme mich dafür, dass wir Autorität in Macht umgewandelt und Pluralität erstickt haben, dass wir nicht auf die Menschen gehört haben, dass wir es vielen Brüdern und Schwestern schwergemacht haben, an der Sendung der Kirche teilzuhaben.“ Das sitzt.

Der frühere Bischof von Limburg Franz Kamphaus schreibt: „In der Gemeinschaft der Jünger Jesu soll es grundsätzlich kein Herrschen von Menschen über Menschen geben... Die verkappten, fromm getarnten Herrschaftsgelüste werden gnadenlos demaskiert. ‚Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein‘. Als Diener soll sich bewähren, wer nach Größe strebt. Wer Erster sein will, soll Knecht aller sein. Die Ersten sind die Letzten und die Diener aller. Wer jemand in der Gemeinde ist, wird daran sichtbar, wie er seinen Knechtsdienst erfüllt.“[1]

Wir sprechen in der Kirche nicht selten von Würdenträgern. Wer ist das? Und was ist die Würde? Die Würde ist nicht das Amt, nicht die Aufgabe, nicht die Stellung. Die Würde ist die Taufe. Alle Getauften haben die gleich große Würde vor Gott. Deshalb sind alle Würdenträger. Wenn man das voraussetzt, dann hört sich manches Machtspiel in der Kirche auf. Ich bete darum, dass sich diese Erkenntnis bei der derzeit laufenden Synode in Rom durchsetzt. Das ist Erneuerung von der Wurzel her.

Die Erkenntnis. Die Erkenntnis, dass es so ist. Das ist der erste Schritt. Aber es braucht noch einen zweiten Schritt. Nämlich die Bereitschaft, sich immer wieder selbst zu prüfen, sich ehrlich in den Spiegel zu schauen, nachzudenken, ob man nach dieser Erkenntnis auch handelt. Die Gefahr ist nämlich, dass man die Abgründe und Bosheiten und Probleme, den Machtmissbrauch und die Fehler vor allem bei den anderen sieht. Der Blick auf sich selber ist nicht so einfach. Da braucht es viel Demut und immer wieder auch die offene Frage an die anderen: Wie nimmst du mich wahr? Bin ich auch so? Und das gilt nicht nur für Amtsträger in der Kirche, sondern für alle, die sich einbringen und Einfluss haben.

Die Frage Jesu an die beiden Jünger Jakobus und Johannes ist aktuell und auch an uns heute gerichtet: „Was soll ich für euch tun?“ (Mk 10,36) Herr, hilf mir, bescheiden zu bleiben, einfach im Wesen, bereit, dich in die Mitte zu stellen. Lass mich meine Macht und meinen Einfluss so gebrauchen, dass dein Evangelium wirken kann und dass nichts seine Wahrheit verstellt.

 

Jakob Bürgler

 

[1] Franz Kamphaus, Der Unbekannte aus Nazaret. Patmos 2023, 241-242.

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Datum: 20.10.2024

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