Liebt einander. Was Jesus uns aufträgt.

Jesus gibt den Seinen am Abend vor seinem Tod ein neues Gebot: "Liebt einander. Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben." Eine Annäherung zu diesem Gebot von Unipfarrer Jakob Bürgler findest du hier.

5. Sonntag der Osterzeit

18. Mai 2025

 

Einen Satz aus dem heutigen Evangelium kennen sicher alle gut und auswendig. Den Satz „Liebt einander!“ (Joh 13,34) Dass es im Wesentlichen um die Liebe geht, dass die Liebe das Wichtigste ist, das wissen wir alle. Und das wissen auch alle, die über das Christentum nachdenken. Die Liebe steht im Mittelpunkt, im Zentrum. Deshalb: „Liebt einander!“

Heute in der Nacht hat der österreichische Kandidat den Song Contest 2025 gewonnen. Sein Künstlername: JJ. Sein Lied: „Wasted love“. Verschwendete Liebe. Es ist ein bitteres Lied, das von einer unerfüllten Beziehung handelt, von Enttäuschung, Einsamkeit, Untergehen. Nach dem Voting sagte JJ: „Es gibt keine vergeudete Liebe . Wir müssen die Liebe nutzen, sie  ist die stärkste Kraft auf diesem Planeten.“ Die Liebe steht im Mittelpunkt, im Zentrum. Deshalb: „Liebt einander!“ Aber: Was steckt hinter diesem Satz?

Ein erster Gedanke: Der Zeitpunkt.

Wann hat Jesus diesen Satz gesagt? Wann hat er den Jüngern die Liebe als Lebensprinzip aufgetragen? Es war am Abend vor seinem Leiden und Sterben, im Abendmahlssaal. An einem sehr dichten Abend. Ganz vieles lag in der Luft: Freundschaft, Abschied, Ausweglosigkeit, Bitterkeit, Schmerz. Die Frage, was in den nächsten Tagen passieren wird. Insgesamt eine große Spannung.

Und in diese Spannung hinein gibt Jesus das neue Gebot der Liebe. Dieses Gebot ist wie ein „Testament“, ein Vermächtnis, ein Wort, das Gewicht hat. In einer solch herausfordernden und bedrängenden Situation wird nur gesagt, was wirklich wichtig ist.

Ich möchte die abendliche Stunde im Abendmahlsaal vergleichen mit einer Weinpresse. Die Trauben sind in der Kelter. Sie werden zerdrückt, mit großer Kraft. Und das Ergebnis ist kostbarer Wein. Wie ein Konzentrat, wie eine Verdichtung, wie die Essenz. Es bleibt das, was wirklich zählt. Die Liebe. „Liebt einander!“ Am Abend vor dem Leiden und Sterben ist das alles, was zu sagen ist.

Ein zweiter Gedanke: Die Liebe.

Was meint Jesus mit „Liebe“? Landläufig verstehen wir unter Liebe ein zärtliches Gefühl, vielleicht Verliebtheit, Schmetterlinge im Bauch, etwas Süßes. Aber hier bedeutet Liebe nicht eine romantische Liebe. „Sie ist nicht immer zärtlich oder gar bequem. Es ist eine Liebe, die trägt, die vergibt und die allem standhält. Eine Liebe, die auch dann nicht aufhört, wenn es schwierig wird in den Konflikten und Streitigkeiten des Alltags. Nein, es ist eine Liebe, die sich nicht zurückzieht, sondern mitgeht – auch durch die Krisen und durch Leid.“[1]

Auch hier wieder ein Beispiel. Ich habe immer wieder Eltern kennengelernt, Mütter und Väter, die in schwierigsten Situationen mit ihren Kindern eine solche Liebe gelebt haben. Unglaublich geduldig, einfühlsam, liebevoll trotz allem, was ihnen weh getan hat oder was sie einfach nicht verstehen konnten. Mit einer schier unendlichen Zuneigung haben sie durchgehalten und immer wieder neu Brücken gebaut. Man könnte sagen: Die Liebe ist geradezu aus ihnen „herausgepresst“ worden. Die Liebe hat diese Menschen an ihre menschlichen Grenzen geführt.

Liebe im Sinne Jesu ist demnach nicht nur ein romantisches Gefühl – wobei die Freude und das Glück sicher auch wichtig und dabei sind. Aber Liebe im Sinne Jesu ist mehr: Sie ist eine Einstellung, eine Grundhaltung, ein Lebensprinzip, eine Entscheidung.

Ein dritter Gedanke: Das Neue.

Man könnte fragen: Was ist denn so neu an der Botschaft Jesu? Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Menschen waren ja schon vor ihm Maßstab des Handelns und auch Gebot Gottes, im Alten Testament. Was ist neu? Neu ist, dass Jesus einen Zusatz hinzufügt: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ (Joh 13,34)

Das ist eine steile Vorlage! Jesus hat mit ganzem Herzen, mit ganzer Kraft geliebt. Seinen lieben Vater im Himmel, und die Menschen, denen er begegnet ist. Mit Vollmacht hat er die Frohe Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes verkündet, in seinen Worten, in seinem Handeln, mit Haut und Haaren. Man könnte sagen: Sein ganzes Leben war gelebte und geteilte Liebe. „Wie ich euch geliebt habe…“

Das schaffen wir nicht. Das überfordert uns. Das wird uns nie ganz gelingen. Aber: Wir können uns immer wieder neu auf den Weg dazu machen. Und vor allem: Es geht um keine Leistung, keinen Wettbewerb. Die Liebe, die wir geben, ist eine Antwort. Wir können die Liebe weitergeben oder zurückgeben, weil wir von Gott ganz und gar geliebt werden. Also: Nicht aus eigener Kraft, sondern weil er uns liebt. Das ist neu!

Und ein Schlussgedanke: Achtsamkeit.

In den USA wird der neu gewählte Papst von manchen Kritikern schon als „woke pope“ beschimpft, als „Achtsamkeitspapst“. Und das nur deshalb, weil er die Hinwendung zu den Schwachen und Benachteiligten in den Mittelpunkt stellt. Eine zutiefst christliche Haltung, die Aufmerksamkeit für die Mitmenschen, wird verdreht und als Kampfbegriff verwendet.

Manchmal werden Aussagen der Bibel so verwendet, wie man sie gerade braucht. Auch als Begründung für eine unterschiedliche Liebe zu den eigenen Leuten und zu den anderen, den „Fremden“. Wie hat Papst Leo, noch als Kardinal, auf eine verkürzende Aussage des Vizepräsidenten der USA reagiert? Er hat geschrieben: „Er liegt falsch. Jesus fordert uns nicht auf, unsere Liebe zu anderen zu gewichten.“ Die Aufmerksamkeit gilt allen, besonders denen, die es schwer haben und nicht leicht leben.

Vielleicht können wir das als Impuls für die kommende Zeit mitnehmen. Einander lieben wie Jesus uns liebt. Die Aufmerksamkeit für den anderen Menschen ganz ernst nehmen. Daran werden die Menschen unserer Zeit erkennen, dass wir Christen sind. So wie es Jesus gesagt hat: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh 13,35)

Jakob Bürgler

[1] Johannes Heimerl, Wie Ostern weiterwirkt. Predigtforum 2025.

Kategorie:

Datum: 18.05.2025

Share it

katholisch

Die Unipfarre Innsbruck ist ein Ort, in dem Begegnung mit Gott, mit Jesus Christus, mit den Mitmenschen und mit sich selbst möglich ist.

mehr dazu

studentisch

In der Unipfarre engagieren sich Studierende. Alle Angebote werden durch Student:innen mitgetragen. "Vielfalt" ist Progamm. 

mehr dazu

seelsorgerisch

Wir begeben uns mit dir auf die Suche nach dem, was Leben gelingen lässt, Freude bereitet und dich stärkt.

mehr dazu

Adresse

Universitätspfarre Innsbruck
Josef-Hirn-Straße 7 / 5. Stock
A-6020 Innsbruck in Tirol
Österreich

email

Karte

Du bist interessiert?

Wir freuen uns auf deine Kontaktaufnahme! Bitte melde dich.

Kontakt

Unsere Mission

Mit DIR machen wir uns auf die Suche nach dem, was Leben gelingen lässt, was Freude bereitet und DICH stärkt.

Universitätspfarre Innsbruck
ImpressumKontaktDatenschutz

powered by webEdition CMS