Kategorien
5. Fastensonntag
6. April 2025
Eine gute Frage: Wer steht in der Mitte? Im Mittelpunkt? Um wen geht es? Und was steht im Mittelpunkt? Um was geht es? Daheim, in der Schule, bei der Arbeit, im Freundeskreis, im Verein. Immer, wenn Menschen beisammen sind, die gleiche Frage: Wer steht im Mittelpunkt? Um wen geht es? Und was ist eigentlich das Thema?
Im heutigen Evangelium steht – und das wortwörtlich – die Ehebrecherin in der Mitte. „Sie [die Schriftgelehrten und die Pharisäer] stellten sie in die Mitte…“ (Joh 8,3) Diese Erzählung kennt jeder. Die Ehebrecherin, und was Jesus mit ihr tut. „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ (Joh 8,7) Jesus erteilt den Pharisäern eine starke, eine deutliche Lektion.
Wer steht in der Mitte? Normalerweise ist die Mitte der Ort, an dem jemand Aufmerksamkeit erfährt, Achtung, Wertschätzung und Ehre. Jemanden in die Mitte stellen bedeutet: Ihm Ansehen schenken. Auf jemanden mit guten Augen schauen.
Ganz anders in diesem Fall. Die Mitte ist hier der Ort der Anklage, der Verurteilung, des Gerichts. Die Mitte ist der Platz der Abwertung und des Sündenbocks.
Ganz am Schluss der Erzählung wird noch einmal auf diese Mitte hingewiesen. Die Frau steht immer noch in der Mitte, heißt es, obwohl die Ankläger nicht mehr da sind. „Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand.“ (Joh 8,9) Wie kann jemand in der Mitte stehen, wenn niemand mehr da ist? Es geht also nicht um den geographischen Ort.
Wer kennen das Wort „jemanden zum Sündenbock machen“. Da gibt es ein Problem, einen Streit, eine Krise – und schleunigst wird jemand gesucht, der schuld ist, dem man den Grund für das Problem anlasten kann. So einen Menschen zu finden ist nicht schwer. Auf alle Fälle ist es viel leichter, einen Schuldigen zu suchen und zu finden, einen Sündenbock, als die oft schwierigen Zusammenhänge und Hintergründe zu bedenken.
In den letzten Jahren haben öffentlich ausgetragene Böswilligkeit und Abwertung von Menschen zugenommen. Hass, Aggression, Anklage und gegenseitige Beschämung prägen viele Diskussionen und Auseinandersetzungen. Sie belasten den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Die shit-storms und die Wellen an Empörung in den sozialen Netzwerken sprechen eine deutliche Sprache. Wer will es leugnen, dass wir schon bedrohlich weit gekommen sind? Wir brauchen dringend eine Abrüstung der verbalen Gewalt, eine Reduzierung der Anklage und Verurteilung, eine neue Achtsamkeit gegenüber jenen, die in die Mitte gestellt werden.
Und im Evangelium? Was tut Jesus? „Jesus sagt – zunächst einmal – gar nichts. Er schweigt. Er bückt sich und schreibt mit dem Finger in den Sand, ohne ein Wort zu sagen. … Barmherzigkeit erfüllt den Ort, füllt die entstandene Leere. Innehalten, zunächst einmal nichts sagen und still sein … vor allem wenn sich in mir Urteilen und Verurteilen in Gedanken und durch Worte und Werke breit macht, öffnet sich gleichsam ein Spalt, durch den Gottes Barmherzigkeit eindringen kann in unsere Welt, in mein Leben und in das anderer Menschen.“[1]
Jesus nimmt der Frau als Sündenbock die aufgeladene Schuld ab. Und er legt sie jenen wieder auf, die sie eigentlich haben. Er gibt der Frau wieder einen neuen Wert, er schaut ihr ins Gesicht, er gibt ihr An-sehen. „Gut so!“ denken wir uns. Endlich einer, der alles durchschaut. Der Applaus für Jesus ist schnell da.
Aber die Frage geht tiefer: Gibt es das auch bei mir, bei uns, in unserem Zusammenleben? In der Gesellschaft? Über wen reden oder urteilen wir ganz schnell? Welchen Vereinfachungen gehen wir auf den Leim? Verweigere dich dem Sündenbock-Denken! Wehr dich dagegen, andere abzuwerten, nur um damit eine schwierige Situation einfacher zu machen! Kämpfe für die Würde von Menschen, für einen menschenwürdigen Umgang, für Wertschätzung und Achtung!
Wer steht in der Mitte? Noch einer steht in der Mitte. Jesus, der Herr. Nicht, weil er ständig auf sich aufmerksam machen will, sondern weil er uns zeigt, wie wir gut und heilsam leben können und sollen. Beide Parteien, die Ankläger und die angeklagte Frau, beide begegnen in Jesus der Barmherzigkeit Gottes. Den Anklägern wird klar, dass sie selber auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen sind. Dass sie daneben liegen, wenn sie selbstgerecht und erbarmungslos gegen andere, und da besonders gegen die Schwächeren, vorgehen. Und die Frau begegnet der Barmherzigkeit Gottes. Sie wird durch Jesus aus ihrer peinlichen und misslichen Lage gerettet und erfährt ganz tief das barmherzige Verzeihen Gottes.
Wer Jesus Christus in die Mitte stellt, dessen Leben verändert sich. Er wird menschlicher, barmherziger, ausgeglichener, dankbarer. Von daher die Botschaft heute an uns: Stellt Jesus in die Mitte!
Jakob Bürgler
[1] Bürgler Bernhard, in: G&G, Forum Glaube und Gerechtigkeit. Freundeskreis der Jesuiten, 1/2016.
Kategorie:
Datum: 06.04.2025
Die Unipfarre Innsbruck ist ein Ort, in dem Begegnung mit Gott, mit Jesus Christus, mit den Mitmenschen und mit sich selbst möglich ist.
In der Unipfarre engagieren sich Studierende. Alle Angebote werden durch Student:innen mitgetragen. "Vielfalt" ist Progamm.
Wir begeben uns mit dir auf die Suche nach dem, was Leben gelingen lässt, Freude bereitet und dich stärkt.
Universitätspfarre Innsbruck
Josef-Hirn-Straße 7 / 5. Stock
A-6020 Innsbruck in Tirol
Österreich
Mit DIR machen wir uns auf die Suche nach dem, was Leben gelingen lässt, was Freude bereitet und DICH stärkt.
Universitätspfarre Innsbruck
ImpressumKontaktDatenschutz