Beten, reden, bleiben

Jesus auf dem Berg der Verklärung. Das Innerste seines Wesens wird sichtbar. Und wir? Wir orientieren uns an dem, was erzählt wird: beten, reden, bleiben. Gedanken von Dompfarrer Jakob Bürgler findest du hier.

2. Fastensonntag

16. März 2025

 

Eine Begegnung mit einem Mädchen aus Berlin wird mir immer in Erinnerung bleiben. Es war in Frankreich, im letzten Jahr. Ich habe in Taizé beim Sakrament der Versöhnung, beim Angebot zur Beichte, mitgeholfen. Und da kommt dieses Mädchen, sehr bewegt, und bittet um ein Gespräch.

Sie sei mit ihren Freundinnen mitgekommen, ohne große Erwartung, für eine Woche. Sie sei Atheistin, nach wie vor. Aber: Was in den letzten Tagen passiert sei, das habe in ihr alles verändert, so erzählt sie. Irgendetwas habe sie total tief im Herzen angerührt. Das Beten sei ihr fremd, aber bei den Gebeten in Taizé habe sie eine Erfahrung gemacht, die sie sich nicht erklären könne. Auf einmal sei sie dagewesen, die Frage nach Gott, und sie habe den Eindruck gehabt, da öffne sich eine neue Welt, da weite sich etwas in ihr, da erlebe sie etwas vom Frieden Gottes.

Ich war sehr berührt. Das Mädchen hat geweint. Tränen der Freude. Tränen des Glücks. Tränen einer Erfahrung, die mitten ins Herz gegangen ist. Und dann hat das Mädchen gesagt: „Ich fahre jetzt wieder heim, als Atheistin, aber an der Frage nach Gott werde ich dranbleiben und sicher wiederkommen.“

Bei der Vorbereitung auf die heutige Predigt ist mir diese Begegnung in den Sinn gekommen. Mir scheint, dieses Mädchen aus Berlin hat eine „Taborerfahrung“ gemacht, die Entdeckung einer neuen Welt, eine Erfahrung, die ihr das Licht einer anderen und göttlichen Welt gezeigt hat. Ganz ähnlich muss es Petrus, Johannes und Jakobus ergangen sein. Sie haben einen Spalt breit und für kurze Zeit „in den Himmel“ schauen dürfen.

Beim Evangelisten Lukas und seinem Bericht von der Verklärung Jesu ist eines auffällig. Er erzählt als einziger davon, dass alles das passiert, während Jesus betet. Jesus hat sich mit den drei Jüngern auf den Berg „zurückgezogen“, und er betet dort, und dann überkommt alle diese lichtvolle und alles in den Schatten stellende Erfahrung.  Während Jesus betet.

Wir stellen uns „beten“ recht häufig als eine Praxis vor, bei der wir viele Worte machen, viele Worte aneinanderreihen, durch-reden. Ich stelle mir das anders vor: Jesus zieht sich in die Stille zurück, ins Schweigen. Er redet nicht, er hört. Er lauscht. Er pflegt die innige Beziehung zu seinem Vater, die Freundschaft zu seinem Papa, Abba.

Und was machen die Jünger? Sie schlafen ein. Oder beten sie? Das griechische Wort, das hier verwendet wird, lautet „myein“. „Myein“ bedeutet „schlafen“. Und gleichzeitig ist dieses Wort die Wurzel für „Mystik“. Vielleicht machen die Jünger ja auch eine mystische Erfahrung. Ganz im Inneren, mit geschlossenen Augen.

Vom berühmten Innsbrucker Theologen Karl Rahner wird die Aussage überliefert: „Der Fromme von morgen wird ein ‚Mystiker‘ sein, einer, der etwas ‚erfahren‘ hat, oder er wird nicht mehr sein.“ Beten.

Und reden. Die drei Jünger werden wach, und sie sehen Jesus und zwei andere Gestalten ins Licht getaucht. Mose und Elija. Was machen die da? Sie reden mit Jesus. Ich vermute einmal, dass es dabei nicht um eine Plauderstunde oder um ein Kaffeekränzchen gegangen ist. Lukas erzählt Genaueres: „… und sprachen von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte.“ (Lk 9,31)

Ich denke mir: Mose und Elija bereiten Jesus vor auf diese bedrängende und schwere Zeit, die auf ihn zukommt. Vielleicht hat Jesus erzählt, wie er innerlich ringt mit der schweren Last, die auf ihn wartet. Vielleicht hat er etwas vom Inneresten aus-gesprochen. Und die anderen haben ihn bestärkt, getröstet, mitgetragen, vielleicht einfach zugehört.

Wir brauchen das. Wir brauchen Menschen, die uns zuhören, die uns bestärken, die uns helfen, den richtigen Weg für uns zu erkennen und ihn dann auch zu gehen. Deshalb ist es so wichtig, über die Heilige Schrift zu reden, in einer Bibelrunde zum Beispiel. Oder in einem persönlichen Gespräch. Beten und reden.

Und als drittes Wort möchte ich noch „bleiben“ dazufügen. Was ist der Impuls im Herzen des Petrus? Ich möchte bleiben! Ich möchte da nicht mehr weg! Diese Stunde ist so wunderbar und beglückend! Er bietet sich sogar als Baumeister an, er, der Fischer. Drei Hütten will er bauen, um bleiben zu können. Aber es gibt kein Bleiben. Der Weg führt wieder den Berg hinab. Der Weg führt wieder in den Alltag, mit seinem Auf und Ab, mit seinen Mühseligkeiten, mit seinen sehr gemischten Erfahrungen. Im seligen Glück bleiben kann niemand.

Aber: Es gibt dennoch etwas, das bleibt. Es bleibt die Erfahrung. Es bleibt das berührte Herz. Und es bleibt die innere Gewissheit, dass hinter oder unter allem ein „Licht“ wartet, eine Glückseligkeit, eine Freude, die niemand wegnehmen kann. Diese Erfahrung nehmen die Jünger mit ins Tal, in den Alltag.

Wer eine religiöse oder spirituelle Erfahrung gemacht hat, der wird sie nicht mehr los. Der merkt, dass sich im Innersten etwas getan hat – auch wenn es vielleicht kaum eine konkrete Auswirkung hat. Aber etwas hat sich verändert. Es wäre wunderbar, wenn wir aus unseren Gottesdiensten – nicht immer, das ist nicht möglich, aber immer wieder – einen kleinen Impuls mitnehmen könnten, einen inneren Ruck. Bleiben.

Kehren wir zurück zum Mädchen aus Berlin. Sie hat im innigen Gebet von Taizé die Erfahrung eines inneren Lichtes gemacht. Sie hat das dann ins Wort gebracht, darüber geredet. Und sie hat diese überraschende Erfahrung mit in ihr Leben, mit in ihren Alltag daheim, genommen. Beten, reden, bleiben.

 

Jakob Bürgler

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Datum: 16.03.2025

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